LiteraTour – literarische Reise nach New Jersey
Die literarische Reise führt mich diesmal in den Nordosten der USA nach New Jersey. Es werden die Bücher „Amerikanisches Idyll“ und „Ein sonderbarer Immigrant“ näher vorgestellt.

New Jersey wurde am 8. Dezember 1787 als 3. Bundesstaat in die United States of America aufgenommen.
Der Bundesstaat trägt den Beinamen The Garden State (Der Gartenstaat).
Die Hauptstadt von New Jersey ist Trenton.
Die größte Stadt ist Newark mit – trotz der Nähe zu New York – nur ca. 310.000 Einwohnern.
TUBS, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons1
Bedeutung
Durch seine Lage war New Jersey bedeutend für die wirtschaftliche Entwicklung der USA. Im Newark Bay, eine Gezeitenbucht am Zusammenfluss der Flüsse Passaic und Hackensack, liegt die zweitgrößte Hafenanlage der USA. Dicht an New York gelegen weist der Bundesstaat keine größere Metropole auf, aber eine hohe Bevölkerungsdichte in den Countys rund um den Hudson River. Newark ist eine der ältesten Städte der USA. Viele Einwohner pendeln täglich zur Arbeit nach Manhattan. Die Gegend um Newark wird zum BosWash, eine Metropolregion, gezählt. Der Name kommt von den Städten an den beiden Endpunkten, Boston und Washington, D.C.
Einwanderung und Wohlstand
Außerhalb der dicht besiedelten Region am Hudson ist New Jersey eher ländlich geprägt. Kleine gepflegte Städte mit viel Grün, wie Old Rimrock (siehe Amerikanisches Idyll), prägen das Bild des „Garden State“.
Bis heute kommen viele Einwanderer in New Jersey an. So findet sich hier eine der ethnisch vielfältigsten und multikulturellsten Bevölkerungsgruppen der Welt. Italiener bilden dabei die größte ethnische Gruppe.
Zudem zählt New Jersey zu den wohlhabendsten Staaten der USA.
Ähnlich wie Connecticut ist New Jersey zu einem demokratisch dominierten Staat geworden.
Ausgewählte Bücher mit Handlungsort New Jersey
| Philip Roth Amerikanisches Idyll Originaltitel: American Pastoral Übersetzung: Werner Schmidt Rowohlt Verlag 2000 576 S. | Gesellschaftsroman Old Rimrock: Seymour Levov, der von seinem Vater eine Handschuhfabrik geerbt hat, lebt mit seiner Frau und Tochter in einem Haus in dem ländlich gelegenen, beschaulichen Örtchen. Das Idyll wird je gestört als sich Seymours wohlbehütete Tochter Ende der 1960er Jahre einer Gruppe militanter, junger Menschen anschließt. Mehr zu Amerikanisches Idyll | |
| Sefi Atta Ein sonderbarer Immigrant Originaltitel: The bad immigrant Übersetzung: Simone Jakob Peter Hammer Verlag, 2022 456 S. | Immigration Das nigerianische Ehepaar Lukmon und Moriam Karim kommen mit ihren beiden Kindern in die USA, um ihnen eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Sie landen zunächst bei einem Verwandten in New Jersey und müssen sich mit den Formalitäten und Umständen arrangieren. Dabei tut sich Lukomon schwerer als seine Frau und die Kinder. Mehr zu: Ein sonderbarer Immigrant | |
| Victor Lodato Honey Originaltitel: Honey Übersetzung: Claudia Wenner C.H.Beck Verlag 464 S. | Erinnerungen Honey, 82 Jahre alt, hat es in ihrem Leben zu einigem Wohlstand gebracht. Als sie in ihre alte Heimat nach New Jersey zurückkehrt, muss sie sich mit schmerzhaften Erinnerungen auseinandersetzen. Als Tochter von Don Pietro, einem gewalttätigen Paten einer italo-amerikanischen Mafia, hat sie früh Schweigen und Loyalität gelernt. Um sich ein eigenständiges Leben aufbauen zu können, musste sie ihre Familie verlassen. Zurück in der Heimat, begegnet sie den Herausforderungen einer alten Schuld erneut. Ein unterhaltsamer, anregender Roman, der mit viel Fingerspitzengefühl den Umgang mit Gewalterfahrungen und dem Altern schildert. | |
| Edith Anderson A Man’s Job Originaltitel: A Man’s Job Übersetzung: Max Schroeder, Otto Wilck, Hans-Christian Oeser Die Andere Bibliothek, 2024 408 S. 978-3847704751 | Gesellschaftsroman Edith Anderson war eine jüdische Amerikanerin. 1915 in New York geboren, öffnet sie sich früh den Ideen des Kommunismus. Sie lernt den deutschen Widerstandskämpfer Max Schröder kennen. Mit ihm geht sie 1946 in die DDR, um beim Aufbau des Sozialismus mitzuwirken. In „A Man’s Job“ übernehmen Frauen Aufgaben, die bis dahin Männern vorbehalten sind. Aufgrund des Krieges fehlt es bei der Bahn an Personal. Als Schaffnerinnen müssen sich die Frauen in der Männerdomäne zurecht finden. Als es 1946 zu Arbeitskämpfen für bessere Arbeitsbedingungen und Lohnerhöhungen kommt, erobern sich die Frauen ihren Platz in der Gewerkschaft. Anderson hat als Schaffnerin bei der Pennsylvania Railroad gearbeitet. Ich war beeindruckt von der ungewöhnlichen Lebensgeschichte der Autorin, der – durch detailreiche Schilderungen – lebendigen Bahnatmosphäre, sowie dem Kampfgeist der Frauen im gewerkschaftlichen Umfeld. | |
Rezension
Amerikanisches Idyll

Philip Roth
Amerikanisches Idyll
Originaltitel: American Pastoral
Übersetzung: Werner Schmidt
Rowohlt Verlag 2000
576 S.
Rowohlt.de
Erzählt wird die Geschichte von Seymour Levov aus der Perspektive seines Freundes Nathan Zuckerman. Seymour Levov, von allen der Schwede genannt, ist auf der Highschool ein herausragender Sportler. Er heiratet die attraktive Mary Dawn Dwyer. Gegen seinen ursprünglichen Wunsch übernimmt er von seinem Vater die Handschuhfabrik in Newark. Seymours Tochter, Meredith (genannt Merry), wird geboren. Er erwirbt ein Haus auf dem Land im beschaulichen Old Rimrock, wo sich in den 1950er Jahren eine typische ländliche Kleinstadtarchitektur entwickelt hat. Alles scheint perfekt.
Eine Zeit des Umbruchs
1963, Jugendrevolte, Bürgerrechtsbewegung, Protest gegen des Einsatz in Vietnam verändern das Land. Merry sieht die Selbstverbrennung eines Mönchs und ist erschüttert. (Am 11. Juni 1963 verbrannte sich der buddhistische Mönch Thich Quang Duc aus Protest gegen das von den USA gestützte Diem-Regime in Saigon.) Sie beginnt sich zu verändern. Aus einer bis dahin freundlichen und schlagfertigen Tochter wird eine alles kritisierende Teenagerin. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sie die Annehmlichkeiten, in einem reichen Elternhaus zu leben, gerne angenommen. Nun stellt sie das Familienerbe in Frage, nimmt an Anti-Kriegsdemonstrationen teil. Als 1968 bei einem Anschlag auf eine Post, an dem Merry beteiligt ist, ein Mensch umkommt, verschwindet sie spurlos.
Zufall – die wiedergefundene Tochter
Seymour findet seine Tochter nach jahrelanger Suche wieder. Sie scheint sich gar nicht bewusst zu sein, was ihr Verschwinden für ihn bedeutet hat.
Die Welt ist kein Ort, auf den ich Einfluß habe oder zu haben wünsche. Ich verzichte auf jeglichen Einfluß. Und ob etwas Zufall ist – du und ich, Daddy …«
»Du ›verzichtest auf jeglichen Einfluß‹?« schrie er. »Tatsächlich auf ›jeglichen Einfluß‹?« Das haarsträubendste Gespräch seines Lebens. Die Besserwisserei ihrer grotesk naiven, durch und durch wahnsinnigen, vom Stottern befreiten Ernsthaftigkeit, die furchtbare Sachlichkeit dieses Zimmers und dieser Straße, die furchtbare Sachlichkeit von allem, was außer ihm war und so mächtig über ihn gebot.
Seymour kann es nicht fassen, wie sich seine Tochter entwickelt hat. Sie hat die ganze Zeit in seiner Nähe gewohnt. Für sie scheint es keine Bedeutung zu haben, was sie damit ihren Eltern zugemutet hat.
Amerikanisches Idyll
Der Titel des Romans wird im Zusammenhang mit einem Thanksgiving-Fest herausgestellt, bei dem die Familie zusammenkommt.
Sie kamen ja ohnehin nur dieses eine Mal im Jahr zusammen, und das auf dem neutralen, religiös nicht befrachteten Gelände des Thanksgiving-Festes, wo jedermann das gleiche ißt und niemand sich davonstiehlt, um komische Sachen zu essen – wo es keinen kugl, keine gefilte fish und keine bitteren Kräuter gibt, sondern nur einen einzigen riesigen Truthahn für zweihundertfünfzig Millionen Menschen – ein einziger riesiger Truthahn speist sie alle. Ein Moratorium für komische Nahrungsmittel und komische Bräuche und religiöse Alleinvertretungsansprüche, ein Moratorium für das dreitausend Jahre alte Heimweh der Juden, ein Moratorium für die Christen, für Christus und das Kreuz und die Kreuzigung, ein Tag, an dem die Menschen in New Jersey und anderswo ihre Verranntheiten leichter nehmen als an allen anderen Tagen des Jahres.
…
Es ist das amerikanische Idyll schlechthin, und es dauert vierundzwanzig Stunden.
Mich hat der Roman von Roth gefesselt, weil er u.a. tief in die Gefühlswelt des Protagonisten Seymour eintaucht. Diese scheint zunächst geprägt zu sein von einer Euphorie des Wohlstands und des familiären Glücks im aufstrebenden Amerika der Nachkriegszeit. Als sich seine Tochter von ihm abwendet, kann er die Entwicklung gar nicht begreifen. Je wird er von Trauer und Wut erfasst.
Ein sonderbarer Immigrant

Sefi Atta
Ein sonderbarer Immigrant
Originaltitel: The bad immigrant
Übersetzung: Simone Jakob
Peter Hammer Verlag, 2022
456 S.
978-3779506904
Peter-Hammer-Verlag
Einwandern
Für Lukmon und Moriam, die sich in Nigeria beruflich etabliert haben, stellt die Verschlechterung der Lebensbedingungen im Land einen Anlass dar, über eine Auswanderung in die USA nachzudenken. Sie möchten, dass ihre Kinder, Taslim und Bashira, eine gute Ausbildung bekommen. Moriam bewirbt sich um eine Green Card und hat Glück. Damit scheint sich ihr Traum zu verwirklichen.
Angekommen in Amerika findet die Familie bei einem entfernteren Verwandten in New Jersey eine Unterkunft. Schon bald wird deutlich, dass sie dringend eine eigene Wohnung finden müssen. Moriam nimmt an Schulungen teil, um in den USA als Krankenschwester anerkannt arbeiten zu können. Für Lukmon, der als Professor nigerianische bzw. afrikanische Literatur unterrichten möchte, ist es schwieriger eine Anstellung zu finden. Vorübergehend arbeitet er bei einem Sicherheitsdienst in einem Kosmetikgeschäft.
Den beiden Kindern fällt es leicht, sich in der Schule zu integrieren.
Rassismus und Emanzipation
Während Moriam und die Kinder sich schnell an die Gegebenheiten anpassen, tut sich Lukmon schwer. Als Erzähler und genauer Beobachter beschreibt er seine Umwelt und zieht seine Schlüsse daraus. Er sinniert über Vorurteile und Tribalismus, das Stammesdenken in seiner Heimat. Ihm fällt der Unterschied zwischen „African-Americans“ und „Africans“ auf. Er hadert mit einem Rassismus, den er bei mehreren Begebenheiten aufdeckt. Es verwundert ihn, wie gelassen Moriam dies so hinnimmt.
Ich fragte sie einmal, warum sie sich nicht mehr über Rassismus aufregte, und sie antwortete: »Weil ich Rassisten gar nicht beachte.« Sie war aufrichtig, und die Vorstellung, dass sie wirklich glaubte, sie hätte die Macht zu entscheiden, ob Rassisten sie beleidigten oder nicht, faszinierte mich. »Was, wenn dich einer körperlich angreift?«, fragte ich. Das sei eine Straftat, sagte sie. »Du meinst, ein Hassverbrechen«, verbesserte ich sie. Das seien die meisten Verbrechen, erwiderte sie.
Moriam hat sich durch ihre berufliche Tätigkeit in den USA schnell integriert und sich emanzipiert. Sie ist keine afrikanische Frau mehr, die Angst hat, von ihrem Ehemann verlassen zu werden.
Ankommen
Taslim und Bashira fangen schon früh an, sich an die neue Umgebung anzupassen und den amerikanischen Slang anzunehmen. Auch gegenüber den Eltern verändert sich ihr Umgang. Sie trauen sich mehr zu widersprechen und auf eigenen Ansichten zu bestehen.
Fazit
Mir hat das Buch sehr gut gefallen, da ich auf viele Aspekte einer anderen Denkweise, der nigerianischen, aufmerksam wurde. Das betrifft u.a. Essensgewohnheiten, die Stellung der Frau oder den Umstand, dass es Lukmon anfangs schwer fällt weiße Gesichter auseinander zu halten.
Im Original heißt es „The bad immigrant“. Ich würde „bad“ mit einem Immigranten, der sich mit der Immigration schwer tut, interpretieren. Dies trifft aus meiner Sicht die Übersetzung „sonderbarer Immigrant“ nicht so ganz.
- https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0 ↩︎
